Usability Quick Wins – Mit einfachen Maßnahmen die Usability grundlegend verbessern

Markus Weber

26. Januar 2021
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Maßnahmen der Usability Evaluierung (wie z.B. Usability Inspektion und Usability Test) sind hilfreich, um Optimierungspotenziale von User Interfaces aufdecken und ausschöpfen zu können. Sie liefern spezifische Hinweise auf Schwachstellen, die einer benutzerfreundlichen Lösung im Wege stehen, weil die Interaktion der Anwender mit dem System beeinträchtigt wird.

Es gibt jedoch eine Reihe von Aspekten, die bei der Gestaltung eines User Interface von vornherein berücksichtigt werden können, ohne dass hierfür erst die Rückmeldung aus einer Usability Evaluierung erforderlich wäre. Solche „Usability Quick Wins“ können also einfach schon im Zuge der Gestaltung einer Lösung erzielt werden, um ein Interface auf eine gute Grundlage zu stellen. Auch eventuell nachfolgende spezifischere Usability Evaluierungen können hiervon profitieren, da bestimmte Usability Probleme schon vermieden wurden und die Evaluierung sich eventuell schwieriger zu entdeckenden bzw. schwerer zu vermeidenden Problemen widmen kann.

Kontraste

Unzureichende Kontraste – insbesondere von Text zum jeweiligen Hintergrund – können die Usability beeinträchtigen, wenn kritische Informationen für die Anwender dadurch schwerer erkennbar bzw. lesbar sind. Anwender nehmen dann relevante Informationen nicht zur Kenntnis oder aber die Effizienz der Interaktion wird beeinträchtigt, wenn das Lesen von Texten länger als nötig in Anspruch nimmt.

Derartige Probleme können mit relativ einfach Mitteln vermieden werden. Es ist z.B. hilfreich, sich in diesem Kontext an Prinzipien der Barrierefreiheit zu orientieren. Im engeren Sinne dazu gedacht, dass Menschen mit Einschränkungen des Sehens die visuelle Wahrnehmung von Inhalten erleichtert wird, profitieren darüber hinaus auch Nutzer ohne derartige Einschränkungen von den entsprechenden Maßnahmen. Kontrastwerte können mit entsprechenden Tools (z.B. WebAIM Contrast Checker) einfach berechnet werden, inklusive einer Information darüber, ob der entsprechende Wert den strengen (AAA) oder etwas lockereren (AA) Vorgaben zur Barrierefreiheit genügt. Es empfiehlt sich, die Text-Hintergrund-Kontraste für kritische Inhalte auf dem User Interface zu prüfen und ggf. anzupassen, um eine optimale Lesbarkeit sicherzustellen.

Duale Codierung

Die Empfehlung zur dualen Codierung von Informationen betrifft ebenfalls den Aspekt der visuellen Wahrnehmung von User Interfaces. Das Erkennen von Informationen kann für Nutzer erschwert sein, wenn diese ausschließlich über Farben codiert sind, also z.B. wenn die zulässige Eingabe in einem Feld mit einem grünen Rahmen um das Feld gekennzeichnet wird, während bei einer unzulässigen Eingabe ein roter Rahmen erscheint.

Dies kann offensichtlich für Nutzer mit einer Rot-Grün-Sehschwäche ein Problem darstellen. Darüber hinaus können aber auch „normalsichtige“ Nutzer Schwierigkeiten haben, z.B. abhängig von der Einstellung ihres Monitors oder von eventuellen ungünstigen Lichtverhältnissen im Raum, durch die die Wahrnehmung von Farben beeinträchtigt wird.

Das Prinzip der dualen Codierung besagt, dass wichtige Informationen nie ausschließlich über Farben transportiert werden sollen. Es soll zumindest noch eine weitere Codierung erfolgen, die die Wahrnehmung der Anwender unterstützt, wenn dies über die Farbe nicht effektiv erfolgen kann. So kann es im erwähnten Fall der Korrekt/Inkorrekt-Unterscheidung z.B. eine Option sein, zusätzlich zur Farbe noch Symbole (wie ein Häkchen für korrekt und ein „X“ für nicht korrekt) einzusetzen, damit sich Nutzer nicht auf Farben verlassen müssen und die relevanten Informationen dennoch korrekt „entschlüsseln“ können.

Amodales Feedback

User Interfaces stellen dem Anwender Feedback zur Verfügung, um beispielsweise über den Erfolg oder Misserfolg von Eingaben zu informieren oder Informationen zum aktuellen Stand eines Verarbeitungsprozesses zu liefern. Derartiges Feedback kann den Interaktionsfluss und damit die Usability beeinträchtigen, wenn es modal ist, d.h. wenn es eine explizite Aktion des Anwenders erforderlich macht, um wieder in den „Normalmodus“ zu schalten, typischerweise durch das Bestätigen eines Feedback-Dialogs.

Feedback sollte daher wenn möglich amodal sein, also das User Interface nicht aus dem normalen Funktionsmodus „herausreißen“. Beispiele für derartiges amodales Feedback sind etwa Informationen in Statuszeilen eines Systems oder die bereits genannten Symbole, die neben Eingabefeldern dargestellt werden, um zu zeigen, ob eine Eingabe ein korrektes Format hat. In beiden Fällen wird die Interaktion des Anwenders mit dem User Interface nicht gestört.

Feedback sollte also zunächst einmal amodal angelegt werden, so dass es für modales Feedback einer besonderen „Rechtfertigung“ bedarf. Eine solche Rechtfertigung kann beispielsweise sein, dass das Feedback so wichtig ist, dass der Anwender es keinesfalls übersehen darf, z.B. weil sonst ein Datenverlust droht. Die Daumenregel ist also: „Feedback sollte grundsätzlich amodal sein, außer es darf unter keinen denkbaren Umständen übersehen / zu spät gesehen werden.“

Spezifische Button-Labels

Dialoge, mit denen eine Aktion entweder bestätigt oder abgebrochen werden kann, sind ein Standardelement in User Interfaces, beispielsweise wenn es um das Verwerfen oder Speichern ungespeicherter Änderungen in einem Dokument geht, das der Nutzer schließen will. Es ist immer noch weit verbreitet, für solche Buttons die unspezifischen Labels „OK“ bzw. „Abbrechen“ zu verwenden. Dies kann zu Fehlbedienungen führen, beispielsweise wenn Nutzer den Dialog-Text nicht sorgfältig gelesen haben. Lautet ein Dialogtext z.B. „Möchten Sie wirklich alle Änderungen verwerfen?“ so wäre „OK“ die „destruktive“ Option, während „Abbrechen“ die datenerhaltende Option darstellt. In einem solchen Fall kann es z.B. zum Datenverlust kommen, wenn Nutzer irrtümlicherweise davon ausgehen, dass „OK“ die „gute“ Option ist, die gewählt werden soll, wenn Daten erhalten bleiben sollen (obwohl sie in Wahrheit ihr OK geben, dass die Daten gelöscht werden).

Button-Labels sollten daher immer so spezifisch wie möglich sein, damit sie im besten Fall auch dann eindeutig verständlich sind, wenn Nutzer den Text im Dialog nur flüchtig oder gar nicht gelesen haben. In der Regel sind immer spezifischere Labels als „OK“ und „Abbrechen“ möglich, z.B. „Daten verwerfen“ und „Daten nicht verwerfen“. Das Grundprinzip dabei sollte sein, dass der Nutzer durch das Label die Konsequenzen der jeweiligen Auswahl eindeutig erkennen kann.

Und schließlich: Nutzer lesen nicht

Es wurde bezüglich der Button-Labels schon angesprochen und es ist eine der Gegebenheiten, auf die man sich bei der Gestaltung von User Interfaces einstellen sollte: Nutzer lesen nicht. Dies ist in dieser absoluten Form natürlich übertrieben – allerdings nicht so sehr, wie es einem bei der Gestaltung lieb wäre. Es ist in der Tat so, dass man längere Erläuterungstexte auf einem User Interface vermeiden sollte, weil man nicht davon ausgehen kann, dass Nutzer diese auch wirklich so ausgiebig lesen, wie es erforderlich wäre. Daher ist es in der Regel keine gute Idee, Usability-Probleme durch die Bereitstellung von Erläuterungen und Hilfetexten lösen zu wollen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass dies nicht funktionieren wird. Es empfiehlt sich vor dem Hintergrund dieses „Grundprinzips“ daher immer, zur Gestaltung eines nutzerfreundlichen User Interface beschreibende Texte auf dem Interface eher sparsam einzusetzen und die Benutzerfreundlichkeit und „Selbstbeschreibungsfähigkeit“ durch Orientierung an Prinzipien guten Interface Designs und nicht zuletzt auch durch entwicklungsbegleitende formative Usability Evaluierungen zu sichern.

Fazit

Die Beachtung grundsätzlicher Usability-Aspekte bei der Gestaltung eines User Interface machen Usability Evaluierungen nicht überflüssig. Wie die Beispiele zeigen, gibt es jedoch „Quick Wins“, die bei der Gestaltung realisiert werden können und die dabei helfen, das User Interface von Anfang an auf eine gute Grundlage zu stellen, ohne zunächst auf die Ergebnisse von Usability Evaluierungen zu warten. Evaluierungsverfahren, die dann ggf. zusätzlich zum Einsatz kommen, helfen dann bei der Realisierung weiterer Usability-Potenziale, die über die Quick Wins hinausgehen.

Markus Weber

Dr. Markus Weber ist seit Beginn der 2000er Jahre im UX Bereich tätig. Er ist Diplom-Psychologe mit einer Promotion im Bereich Kognitive Psychologie. Dementsprechend legt er bei seinen Arbeiten besonderen Wert auf die Erkundung und Einbeziehung der menschzentrierten Perspektive bei der Gestaltung von Produkten und Dienstleistungen mit einer positiven User Experience. Die Schwerpunkte seiner Tätigkeiten bilden die Gebiete User Research, Usability Evaluation und Interaktionsdesign. Den Austausch mit der UX Community pflegt er unter anderem auf Twitter und als regelmäßiger Beitragender zur „Mensch und Computer“ / „Usability Professionals“ Konferenzreihe.